Darum verzichtet Bio Suisse auf Gentechnik

Gentechnik ermöglicht es, das Erbgut von Nutzpflanzen und -tieren gezielt zu verändern, indem DNA-Sequenzen bearbeitet werden. Wir stellen die Technologie vor und erklären, warum Bio Suisse auf diese Technik verzichtet und Wahlfreiheit für Bäuer:innen und Konsument:innen verlangt.

Bereits vor über 10'000 Jahren hat der Mensch damit begonnen, Tiere zu domestizieren und Pflanzen zu züchten, sodass sie seinen Bedürfnissen optimal entsprechen. Deshalb geben unsere Kühe heute pro Tag 25 Liter Milch, dreimal mehr als vor 100 Jahren; das Huhn legt täglich ein Ei, statt eine Winterpause zu machen; und Rüebli schmecken viel süsser als die Wildvariante.

Dank der natürlichen Zucht nahmen Ertrag und Qualität unserer Nutztiere und -pflanzen und damit unserer Lebensmittel über die Jahrhunderte ständig zu. Aufgrund der Auslese von erwünschten Eigenschaften und der Züchtung besonders leistungsfähiger Tiere und ertragreicher Pflanzen sind Landwirtinnen und Landwirte in der Lage, auf möglichst wenig Landfläche möglichst viele und hochwertige Lebensmittel zu produzieren.

Kühe stehen im Stall, Kuheuter sind nah zu sehen.

Neue Eigenschaften mit GVO

Basis für die Zucht ist die Tatsache, dass die Eigenschaften von Tier oder Pflanze im Genom, also in der Gesamtheit der Gene, angelegt sind. 1953 entdeckten die Forscher Francis Crick und James Watson die Doppelhelix des Genoms. Das war der Startschuss für Bemühungen, mit einem Eingriff in die Gene das Genom, also die Gesamtheit der Gene, dauerhaft so zu verändern, dass auch bei den Nachkommen der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gewisse Eigenschaften stabil eingebaut werden. So entwickelt also beispielsweise ein ursprünglich grünlicher Apfel eine rötliche Farbe oder eine Tomate wird fester gezüchtet, so dass sie den Transport besser übersteht. Diese Veränderungen entsprechen den Anforderungen des Handels – aber oft gehen sie zulasten anderer Eigenschaften, beispielsweise des Geschmacks.

Die Gentechnik trat mit dem Versprechen an, Pflanzen schnell mit neuen Eigenschaften zu versehen. Das funktioniert teilweise auch. Doch die Nebenwirkungen und ungeklärte Langzeitfolgen sind beträchtlich. Der Nutzen liegt zudem in erster Linie bei den Saatgutkonzernen und nicht bei den Bäuer:innen und Konsument:innen.

Gelber Mais

Resistent gegen Herbizid

In der industriellen Landwirtschaft wird Gentechnik häufig dafür eingesetzt, Getreide oder Gemüse resistent gegenüber gewissen Schädlingen zu machen. Das geschieht beispielsweise, indem ein Toxin aus dem Bodenbakterium Bacillus thurigiensis (Bt-Toxin) eingesetzt wird: Die Frassfeinde sterben ab, wenn sie sich an den gentechnisch veränderten Halmen gütlich tun. Ein anderer Mechanismus für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) ist, eine Herbizidresistenz in die Pflanze zu integrieren: Wird ein Maisfeld mit einem zuvor definierten Pflanzenvernichtungsmittel gespritzt, sterben nur die Wildkräuter ab; der GVO-Mais bleibt verschont und kann sich umso kräftiger entwickeln.

Auch Nutztiere lassen sich mit Gentechnik so verändern, dass sie attraktiver für die menschliche Ernährung sind: Eine gentechnisch veränderte Schweinerasse wächst schneller oder weist ein aus menschlicher Sicht attraktiveres Verhältnis von Fett und Fleisch auf. Die alten Gentechnikverfahren waren diesbezüglich allerdings wenig erfolgreich. Die so erzeugten transgenen Tiere waren oft krankheitsanfällig oder nicht lebensfähig, so dass sich die Gentechnik in der Nutztierzucht bisher nicht durchsetzen konnte.

Grüne, rote, weisse Gentechnologie

Gentechnik betrifft neben der Landwirtschaft – wo sie «grüne Gentechnik» genannt wird – auch die Medizin, die sogenannte «rote Gentechnik». Hier geht es um die Herstellung neuer Impfstoffe, Medikamente, Gentherapien oder Diagnostika. In der Medizin hat zuletzt CRISPR/Cas9 die Forschung revolutioniert. Diese Technik ermöglicht gezielte Genveränderungen in Zellen. So können krankheitserregende Mutationen in der DNA korrigiert werden.

Das Potenzial für Gentherapien dürfte wachsen, da durch diese Genomeditierung schwere Erbkrankheiten gelindert oder sogar geheilt werden könnten. Solche möglichen Fortschritte in der roten Gentechnologie lassen allerdings nicht den Schluss zu, dass CRISPR/Cas9 auch in der grünen Gentechnologie funktioniert: Wenn Molekularbiolog:innen Gentechnologie im Labor unter kontrollierten Bedingungen erforschen, ist das nicht vergleichbar mit der praktischen Anwendung in einem komplexen Ökosystem.

Lab aus dem Labor

Ein weiterer Anwendungsbereich wird «weisse Gentechnik» genannt. Es handelt sich dabei um industrielle Anwendungen, also gentechnisch erzeugte Enzyme, Lebensmittelzusätze oder auch lebende Mikroorganismen, die besondere, in der Natur nicht vorkommende Eigenschaften aufweisen. So werden etwa die meisten Enzyme, die heute in Waschmitteln verwendet werden, mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen produziert; im Endprodukt ist dieser Prozess nicht mehr nachweisbar.

Die «weisse Gentechnik» betrifft in einzelnen Fällen auch die Landwirtschaft. Ein wichtiges Produkt ist hier das Lab-Enzym (Chymosin): Dieses wird traditionell dem Magen geschlachteter Kälber entnommen, kann aber auch mit gentechnischen Methoden erzeugt werden. Ebenfalls in der Landwirtschaft zur Anwendung kommt das Enzym Lysin als Futtermittelzusatz.

Für die Lebensmittelindustrie von grosser Bedeutung sind Vitamine wie B12 oder Süssstoffe. Die mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen erzeugten Produkte werden anschliessend von GVO gereinigt. Entsprechend müssen sie auch nicht als gentechnisch verändert deklariert werden. So erzeugte, in der EU zugelassene Produkte sind seit 2020 auch automatisch in der Schweiz verkehrsfähig.

Schneller wachsen – doch mit Risiken

Gentechnik, also ein Eingriff ins Genom, kann bedeuten, dass einzelne bestehende Gene an- und abgeschaltet werden. Man kann aber die Eigenschaften eines Lebewesens auch verändern, indem Gene neu eingebracht werden. Viele der oft genannten Vorteile sind bis jetzt nur Versprechen, die sich noch nicht umsetzen lassen:

Pflanzen

  • schnelleres Wachstum
  • grössere Früchte
  • längere Haltbarkeit oder einfachere Logistik, da weniger anfällig auf Druckstellen, zum Beispiel bei Tomaten
  • mehr erwünsche Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Eiweiss oder Vitamine, zum Beispiel bei Reis oder Zucker
  • weniger unerwünschte Inhaltsstoffe wie zum Beispiel Bitterstoffe, zum Beispiel bei Auberginen
  • Wachstum auch unter klimatischen Bedingungen, die für die Pflanzenart nicht optimal sind

Tiere

  • höhere Leistung (Milch, Eier)
  • schnelleres Wachstum
  • weniger Fett, mehr Fleisch
  • Wachstum in kälteren Lebensbedingungen als üblich (Beispiel Zuchtfisch)

Die Anwendung von Gentechnik ist sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren mit gesundheitlichen und biologischen Risiken sowie ethischen Vorbehalten verbunden.

Weizen mit Mutterkorn
GV-Weizen mit Mehltau-Resistenz war öfter vom giftigen Mutterkornpilz befallen.

Risiken bei GV-Pflanzen

  • Die Veränderung des Erbguts von Lebewesen bedeutet, dass sich diese fortpflanzen und sich, falls nicht zurückgehalten, über den vorgesehenen Perimeter unkontrolliert ausbreiten können.
  • Durch Pollenflug ist die Weitergabe des Erbguts auch an konventionelle Pflanzen möglich. Gerade in der kleinräumigen Schweiz ist das Risiko besonders gross, dass Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf nicht veränderte oder sogar biologisch angebaute Nutzpflanzen übergehen. Die so entstehenden Nachkommen sind ebenfalls GVO.
  • Häufig zeigen sich die negativen Effekte erst bei der zweiten Generation, wie eine Studie für die EU und die Schweiz aus dem Jahr 2019 zeigt. Dazu gehören die unerwünschte Ausbreitung der hybriden Nachkommen der Pflanzen, was zu einer Verschmutzung konventioneller oder biologischer Ernten führte.
  • Es fehlen Studien, ob sich gentechnisch veränderte Lebens- oder Futtermittel langfristig auf unsere Gesundheit auswirken.
  • Inzwischen gibt es zahlreiche Insektenarten, die gegen das Toxin des Bacillus thuringiensis (Bt-Toxin) resistent geworden sind.
  • GV-Weizen mit Mehltau-Resistenz erwies sich im Freiland als stressempfindlich. Er lieferte 50 Prozent weniger Ertrag und war öfter vom giftigen Mutterkornpilz befallen.

Ein Spezialfall ist das sogenannte Gene Pharming, eine Kombination von roter und grüner Gentechnik. Dabei werden Nutztiere mit Gentechnik so verändert, dass sie ein Medikament produzieren und mit der Milch regelmässig ausscheiden. Ein Beispiel ist Antithrombin, ein Medikament gegen Thrombosen, das von GVO-Ziegen produziert wird. Die transgenen Tiere sind allerdings krankheitsanfällig, teilweise missgebildet und haben eine kurze Lebenserwartung.

Schliesslich forschen Unternehmen aus dem Bereich Xenotransplantation daran, Tiere so gentechnisch zu verändern, dass ihre Organe in kranke Menschen transplantiert und anschliessend nicht abgestossen werden.

Zuckerrüben auf einem Feld mit einem Schild von Syngenta (Wikimedia Commons)

Vorbehalte

Neben den Risiken gibt es auch Vorbehalte grundsätzlicher Art gegen die grüne Gentechnik. So stellt sich bei Pflanzen wie bei Tieren die ethische Frage, ob es zulässig ist, mit Gentechnik Lebewesen grundlegend zu verändern. Denn damit weisen auch ihre Nachkommen diese Eigenschaften auf – wird so die Würde der Kreatur verletzt?

Ein anderer Vorbehalt betrifft die Anwendung der Gentechnik in der Landwirtschaft, die in erster Linie die Leistungssteigerung im Fokus hat. Mit Gentechnik verändertes Saatgut beispielsweise ist patentiert und wird häufig in einem Paket mit den dazu passenden Düngemitteln und Pestiziden vermarktet. Das erhöht die Abhängigkeit der Landwirt:innen von den Herstellerfirmen. Die Gentechnik fördert somit eine industrielle Landwirtschaft, die wiederum eine wichtige Ursache für globale Probleme wie Klimakrise, Erosion, Trinkwassermangel und soziale Ausbeutung ist. Die wichtigste Herausforderung der globalen Landwirtschaft ist nicht nur, möglichst viel zu produzieren, sondern gleichermassen klimaneutrale, sozialverträgliche und biodiversitätsschonende Ernährungssysteme zu unterstützen.

Initiative unterstützen!

1. Neue gentechnische Verfahren bedrohen Ihr grundlegendes Recht, selbst zu entscheiden, was auf Ihren Teller kommt. Eine garantiert gentechnikfreie Lebensmittelproduktion wird unmöglich, sobald NGV unreguliert zugelassen sind.

2. Der Esstisch darf kein Versuchslabor sein. NGV verursachen hohe Kosten und Risiken – doch ihr Nutzen ist ungewiss. Niemand kann die langfristigen Folgen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln vorhersagen.

3. NGV sind ein Angriff auf unsere einheimische Landwirtschaft. Konzerne werden mit ihren Patenten den Saatgutmarkt dominieren und kleine Züchter:innen verdrängen. Damit treiben sie die Lebensmittelpreise in die Höhe. Die Schweiz verliert ihren wertvollen Standortvorteil der Gentechnikfreiheit – das ist fatal für unsere Schweizer Landwirtschaft.

Die Gesetzeslage der grünen Gentechnik in der Schweiz

In der Schweiz wurde 2005 ein Moratorium für den kommerziellen Anbau von Nutzpflanzen erlassen. Der Bundesrat hat seither das Moratorium mehrmals verlängert, zuletzt bis Ende 2025. Mit der letzten Moratoriumsverlängerung erhielt der Bundesrat vom Parlament den Auftrag, ein Gesetz zu entwerfen, in dem die neuen gentechnischen Verfahren (NGV) in der Pflanzenzüchtung für die landwirtschaftliche Anwendung geregelt wird. Voraussetzung für mit NGV gezüchtete Pflanzen ist ein nachgewiesener Mehrwert für die Landwirtschaft, die Umwelt oder die Konsument:innen.

Bis eine solche Regelung steht, soll das Moratorium verlängert werden. So machte das Parlament Vorschläge, das Moratorium bis 2027 zu verlängern. 2025 hat nun der Bundesrat der Verlängerung des Moratoriums zugestimmt, schlägt aber vor, das Moratorium gleich um fünf Jahre bis Ende 2030 zu verlängern. Freisetzungsversuche sind mit einer entsprechenden Bewilligung auf eingezäunten und bewachten Feldern möglich. Seit 2009 erlaubte das Bundesamt für Umwelt 18 solche Versuche, drei davon allein 2024.

Frau im Supermarkt hält Material für die
(Simon Boschi)

Konsument:innen äussern sich ablehnend

Für die Bewilligung zur Inverkehrbringung von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen zuständig. Bisher hat es eine Sojalinie und drei Maislinien solcher Organismen als Lebensmittel zugelassen. Dazu kommen zwei Vitamine, zwei Labfermente, zwei Zuckerarten als Zutat und mehrere Lebensmittelenzyme als Verarbeitungshilfsstoffe zur Verwendung in Lebensmitteln.

Die erwähnten Soja- und Maissorten dürfen in der Schweiz aufgrund des Moratoriums nicht angebaut, aber theoretisch importiert und – mit einer Deklaration – verkauft werden. Doch aktuell ist kein Lebensmittel bekannt, das hierzulande als GVO deklariert im Verkauf ist. Zu gross ist die Ablehnung der Konsumentinnen und Konsumenten gegenüber solchen Produkten.

Auch Crispr/Cas9 basiert auf Gentechnik

Neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas9 machen es möglich, Lebewesen gezielter zu verändern. Man spricht dabei von Gen-Editing oder Genome-Editing. Das neue Verfahren verspricht, präziser, schneller und günstiger zu sein als die alten Verfahren. [ev. Unterseite] Zudem hinterlassen solche gentechnischen Verfahren keine Spuren – ausser dem neuen Gen. Das EU-Parlament hat deshalb 2023 zunächst beschlossen, es brauche keine GVO-Deklaration für solche Produkte. Jetzt laufen auch auf EU-Basis wieder Verhandlungen – mit unklarem Ausgang.

Im Herbst 2024 brachte Bundesrat Albert Rösti den Vorschlag ein, neue gentechnische Verfahren in einem Spezialgesetz zu regeln. Der Bundesrat folgt dabei dem Beispiel der EU, welche die NGV ebenfalls in einem separaten Gesetz regulieren möchte. Statt von Gentechnik sprach der Bundesrat von «neuen Züchtungsmethoden». Schon damals gab es vom Bundesamt für Justiz harsche Kritik: «Die Regelung neuer gentechnischer Verfahren in einem speziellen Gesetz führt zu einer Verwirrung über die wahre Natur der Methoden und der daraus resultierenden Produkte.» Denn auch Crispr/Cas9 und andere Genscheren-Methoden basieren auf Gentechnik. Für Bio Suisse ist deshalb klar, dass die Bio-Landwirtschaft gentechnikfrei bleiben muss.

Bis zum März 2026 läuft die Sammelfrist für die Initiative für gentechnikfreie Lebensmittel («Lebensmittelschutz-Initiative»); auch Bio Suisse unterstützt das Volksbegehren. Es verlangt, dass GVO, die mithilfe der neuen gentechnischen Methoden erzeugt wurden, ebenfalls der bestehenden Gentechnik-Gesetzgebung inklusive Risikoprüfung unterstehen. Für Bio Suisse ist die Wahlfreiheit der Bevölkerung und der Landwirt:innen ein grosses Anliegen: Die Menschen sollen wissen, was auf ihren Feldern wächst und auf ihrem Teller liegt. Für Bio-Knospe-zertifizierte Landwirtschafts- und Verarbeitungsbetriebe gilt ein umfassendes Verbot der Gentechnik: Alle Anwendungen der grünen Gentechnik sind untersagt.

Züchten: Die Bio-Alternative zur Genschere

Die Gentechnik bezeichnet ihre Produkte gerne als Resultate «moderner Züchtung» und verweist darauf, dass sie deutlich schneller zum Ziel kommt als die bisherigen Verfahren. Tatsächlich können die neuen Sorten schneller vorliegen.

Doch während die Gentechnik eine einzige Eigenschaft in der Nutzpflanze verändert – eine Resistenz oder eine erhöhte Leistung – achtet die traditionelle und insbesondere die biologische Pflanzenzucht darauf, dass die neue Sorte nicht nur einen stabilen Ertrag hat, sondern auch in anderen Belangen ins landwirtschaftliche System passt.

Dazu gehört, dass die neu gezüchtete Sorte effizient mit Wasser und Nährstoffen umgeht, konkurrenzfähig gegenüber Unkräutern ist, eine gewisse Schädlings- und Krankheitstoleranz aufweist, besser an den jeweiligen Standort angepasst ist und mit weiteren Umweltfaktoren zurechtkommt. Die herkömmliche Züchtung ermöglicht es auch kleinen Anbietern, Sorten zu entwickeln und vom Züchtungsfortschritt Dritter zu profitieren. Diese Züchtungen machen Bäuerinnen und Bauern zudem unabhängiger. Sie haben mehr Auswahl und sind nicht abhängig von gentechnisch verändertem Saatgut.

Beispiel: Vom Wildgras zum backfähigen Weizen

Weizen ist heute weltweit das wichtigste Getreide. Sein Vorläufer, das Einkorn, wurde schon vor 10'000 Jahren als Nutzpflanze angebaut. Durch eine zufällige Kreuzung mit einem anderen Wildgras und weiterer Züchtung entwickelte sich der Hartweizen, der heute vor allem für Teigwaren verwendet wird. Der sogenannte Weichweizen, Ausgangsprodukt für Brot, basiert auf einer Kreuzung zwischen dem wilden Emmer und einem anderen Wildgras. Diese Kreuzung, der heutige Dinkel, wurde zum Weichweizen weitergezüchtet. Zu Beginn wählten die Züchter:innen Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften und vermehrten sie. Diese Auslesekreuzung wurde im 19. Jahrhundert von der Kreuzungszüchtung abgelöst. Aufgrund der Mendelschen Regeln der Vererbung lernte man, gewünschte Eigenschaften mehrerer Einzelpflanzen zu vereinen.

Rapsfeld
Raps, bisher vor allem konventionell angebaut, soll auch im biologischen Landbau ertragreich und stabil kultiviert werden.

Wohin geht die Reise in der Bio-Zucht von Pflanzen und Tieren?

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) arbeitet derzeit an verschiedenen Versuchen, die zeigen, welche Ziele eine langsamere, aber damit auch nachhaltigere Züchtung verfolgt:

Pflanzenzucht

  • Raps, bisher vor allem konventionell angebaut, soll auch im biologischen Landbau ertragreich und stabil kultiviert werden können und dem zunehmenden Klimawandel widerstehen. Die entsprechenden Sorten müssen deshalb den vorhandenen Nährstoff möglichst gut verwerten und mit weniger Wasser auskommen als die herkömmlichen Sorten. (RapsOrg)
  • Leguminosen sind gut für den Boden, da sie Nährstoffe binden. Ihre Früchte wie Sojabohnen werden zunehmend als pflanzliches Eiweiss nachgefragt. Ein Züchtungsprojekt sucht deshalb neue Sorten, die trockenheits-, krankheits- und klimawandelresistenter sind.
  • Jede Nutzpflanze hat wilde Verwandte, sogenannte «Cousins», und kann durch Kreuzung mit ihnen womöglich an neue Umweltfaktoren wie den Klimawandel angepasst werden. Das Projekt identifiziert für sechs wichtige Beispielkulturen diese Cousins und zeigt, wie eine Züchtung in enger Zusammenarbeit mit den Bäuer:innen und Konsument:innen möglich ist. (COUSIN)
Zweinutzungshühner im Aussengehege
Ziel der Forschung ist es, möglichst ideale Zweinutzungsrassen zu finden.
(Jakob Ineichen)

Tierzucht

  • Ab dem 1.1.2026 ist es in der Bio-Landwirtschaft verboten, männliche Küken zu töten. Zum einen werden die Bruderhähne der Legehennen aufgezogen, zum anderen setzt die Bio-Landwirtschaft auf Zweinutzungshühner, die sowohl Eier legen als auch Fleisch ansetzen. Dafür sollen Zweinutzungstypen und an den Biolandbau angepasste Linien oder Rassen bevorzugt werden. Ziel ist, möglichst ideale Zweinutzungstypen zu identifizieren. (Biohahn)
  • Die konventionelle Milchviehzucht hat eine möglichst hohe Milchleistung zum Ziel. Die Kehrseite sind hoher Kraftfutterverbrauch und grössere Krankheitsanfälligkeit der Tiere. Biobetriebe gehen einen anderen Weg, da die Tiere überwiegend Raufutter fressen. Geplant ist die Auswahl von 40 besonders für die Bio-Milchwirtschaft geeigneten Stieren. Pro Jahr sollen 4000 Samendosen für die künstliche Besamung bereitgestellt werden und die Bio-Milchviehzucht verbessern. (Bio-KB)
  • In der Schweiz existieren nur wenige Schweinerassen. Ziel des Projekts ist es, eine neue Rasse zu züchten, welche die Ansprüche von Demeter- und Bio-Betrieben erfüllt. Das genügsame und robuste Schwein soll dem auf Bio-Höfen vorhandenen Futter und dem wesensgerechten Haltungssystem entsprechen. (Unser Hausschwein)
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