Ein Tal wird Bio: Nachhaltige Landwirtschaft im Valposchiavo

17. Februar 2025

Weisse Wolken ziehen über die majestätischen Bergkämme und gleiten ins Tal Richtung Italien. Am Berninapass kündigt sich der nächste Regen an. Inmitten dieser beeindruckenden Kulisse entsteht etwas Einzigartiges: Ein Tal auf dem Weg, vollständig biologisch zu werden.

Das Valposchiavo: Von der Höhe in die Wärme

Das italienischsprachige Südtal liegt im Kanton Graubünden und erstreckt sich über 25 Kilometer. Vom Bernina Hospiz auf 2.338 Metern bis nach Campologno auf 535 Metern treffen alpine Landschaften auf das milde Klima des norditalienischen Veltlins.

In dieser besonderen Umgebung betreibt Nicolò Paganini seinen Bio-Landwirtschaftsbetrieb. Auf 11 Hektaren verteilt über 70 Parzellen baut er seit dem Jahr 2000 Beeren wie Brombeeren, Erdbeeren und Himbeeren sowie Äpfel, Birnen und sogar Oliven an. Zehn festangestellte Mitarbeiter:innen und bis zu 40 saisonale Erntehelfer:innen arbeiten auf dem Hof und in der Verarbeitung. Mehr als die Hälfte seiner Früchte wird direkt im Tal zu Konfitüren, Sirup und anderen Spezialitäten verarbeitet. Damit bietet er nicht nur frische Produkte, sondern trägt auch dazu bei, Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Im Veltlin bewirtschaftet Paganinis Schwager zudem Rebberge, deren Trauben zu Wein verarbeitet werden.

100% Valposchiavo: Ein Tal geht neue Wege

Jahrhundertelang war das Puschlav geprägt von Abwanderung. Viele Jugendliche verliessen das Tal, um in grösseren Städten wie St. Moritz oder Lugano zu studieren und zu arbeiten. Doch dank Anstrengungen und Projekten wie «100% Valposchiavo» ist es gelungen, die Bevölkerungszahl zu stabilisieren. «100% Valposchiavo» hat sich nun seit 10 Jahren zu einer starken Marke etabliert.  

Das 2019 gestartete Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) hat das Ziel, die landwirtschaftlichen Bio-Wertschöpfungsketten im Tal zu optimieren und zu professionalisieren. Heute sind es 60 Betriebe, die sich das Label «100% Valposchiavo» auf die Fahne geschrieben haben: Bauernbetriebe, Hotels und Restaurants, Metzgereien, Bäckereien, Käsereien, Brauereien, und auch der Bio-Schlachthof in Brusio arbeitet nach diesem Prinzip. Die regionale Wertschöpfung bleibt erhalten, die Zusammenarbeit zwischen der Hotellerie, Gastronomie und der Landwirtschaft wird gestärkt, der Tourismus lebt auf. Die Gäste können Puschlaver Produkte konsumieren und kaufen.  

Bio-Umstellung: Paganinis Weg zur Nachhaltigkeit

Nicolò Paganini gehörte zu den letzten Landwirten im Tal, die auf Bio umstellten. Die grösste Herausforderung war der Anbau von Erdbeeren, die besonders anfällig für Krankheiten sind. Chemisch-synthetische Pestizide kommen bei Bio nicht infrage, ebenso wenig wie der Schutz der Pflanzen durch Plastikfolien.

Erst ein natürliches Pflanzenschutzmittel überzeugte ihn, den Schritt auf Bio umzustellen zu wagen. Heute ist Paganini stolz, Teil des Projekts zu sein. Im Sommer beliefert er Supermärkte in der ganzen Schweiz mit frischen Beeren. Seine Konfitüren und Sirupe stehen das ganze Jahr über zum Verkauf.

Zukunftspläne: Schweizer Bio-Bergolivenöl

Ein besonderes Projekt von Nicolò Paganini ist die Wiederbelebung historischer Terrassenhänge im Tal. Dort, wo früher Getreide angebaut wurde, wachsen nun Olivenbäume. Seit letztem Jahr liefern diese Bäume die Grundlage für das erste Schweizer Bio-Bergolivenöl.

Mit solchen Projekten zeigt das Valposchiavo, wie Innovation und Tradition Hand in Hand gehen können. Das Ziel: Das Tal nachhaltig lebendig und wirtschaftlich attraktiv zu halten – für Einheimische ebenso wie für Gäste.

Das Valposchiavo setzt ein Zeichen für nachhaltige Landwirtschaft und regionale Zusammenarbeit. Hier entstehen Produkte, die nicht nur die Landschaft schützen, sondern auch den Menschen zugutekommen.

Redaktion und Fotos: David Hermann

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