Von Bio-Eiern und Bruderhähnen

Die Weide füllt sich mit den weissen Güggeln der Rasse Lohmann Sandy, die erst zögerlich und dann immer entschlossener scharren, picken und flink umherrennen. «Sie sind erst fünf Wochen alt und gewöhnen sich gerade an die Weide», erklärt Bio-Landwirt Markus Schütz. «Bald sind sie mutiger und rennen bis weit nach hinten ins Gehege.» Und das Besondere daran: All diese flauschigen, weissen Güggel wären längst nicht mehr am Leben. Sie würden gar nie erfahren, wie es ist, draussen auf der Weide zu sein. Denn bis anhin wurden die männlichen Küken sofort nach dem Schlüpfen aussortiert und vergast. Diese unbequeme Wahrheit in der Eierproduktion kennen viele gar nicht.

In der Landwirtschaft arbeitete man bis anhin hauptsächlich mit spezialisierten, leistungsstarken Rassen für die Eier- oder Fleischproduktion. Doch die Brüder der Legehennen können nicht so schnell und nicht so viel Fleisch ansetzen. Deshalb werden die männlichen Küken in der klassischen Eierproduktion nach der Geburt standardmässig sofort nach dem Schlüpfen getötet. Der Bio-Bewegung war dies ein Dorn im Auge, denn alle Lebewesen sind wichtig und sollen wertgeschätzt werden.

Familie Schütz setzt auf ihrem Bio-Hof schon länger auf den Bruderhahn – «Güggelglück» eben. Damit machen Markus und Barbara Schütz gute Erfahrungen. Markus Schütz findet es schade, dass beim Fleischkonsum oft nur Edelstücke wie die zarte Pouletbrust verlangt werden. Dabei geben die Tiere viel mehr her, sagt Markus Schütz: «Legehennen verwerten wir als Suppenhuhn, um das ganze Tier wertzuschätzen.» Da diese Hühner älter werden, haben sie mehr Zeit, um Aromen zu entwickeln.

«Auch das Bruderhahnfleisch ist etwas fester, aber man kann viel daraus machen, wenn man ein wenig Verständnis für die Aufzucht der Tiere hat». Die Bruderhähne können sich mehr bewegen und haben somit eine andere Muskelstruktur als die Mastpoulets. Ausserdem wachsen die Tiere langsamer und leben doppelt so lange wie ein Mastpoulet. «Nur keine Angst vor der Zubereitung!», sagt Barbara Schütz, die gelernte Köchin. Ihr wichtigster Tipp für die Zubereitung von Bruderhahnfleisch und Suppenhuhn: «Das Kochen kann so viel Freude machen, wenn man offen ist und etwas experimentiert. Das ethisch wertvolle Fleisch ist wunderbar, man muss einfach ohne Scheu ausprobieren, vielleicht etwas panieren oder nur kurz anbraten.» Familie Schütz verkauft in ihrem Hofladen neben Suppenhühnern verschiedene Fleischstücke vom Bruderhahn zum Kurzbraten, aber auch Würstchen oder Burgerpatties. Das Feedback der Kundinnen und Kunden auf diese «Güggelglück»-Produkte sei erfreulicherweise sehr gut und die Nachfrage gross.

Barbara Schütz freut sich besonders über ihre Kundschaft in der Direktvermarktung. Einige beziehen hauptsächlich Bio-Eier und ernähren sich vegetarisch. Doch genau diese Kunden, die Einblicke in den ganzen Lebenszyklus der Tiere haben, kaufen pro Jahr auch ein Suppenhuhn und ein «Güggelglück»-Fleisch, das sie im Bekanntenkreis verschenken. «Das ist eine grosse Wertschätzung für das Tier. Denn die Legehenne ist auch noch als Suppenhuhn wertvoll. Ebenso das Bruderhahnfleisch, das zu einer ethischen Eierproduktion dazugehört.» Und so schliesst sich der Kreislauf.

Redaktion: mAYA fROMMELT, fOTOS: lUC kÄMPFEN